Die Testaceen (deutsch Schalenamöben) zählt man neben den Nacktamöben, Schleimpilzen, Foraminiferen, Strahlentieren und Radiolarien zu den Amöbozoa: Mikroskopisch kleine, sehr einfach gebaute eukaryotische Einzeller mit besonderen gemeinsamen Eigenschaften. Amoebozoa bilden eine Lebensform oder Organisationsstufe, aber keine taxonomische Gruppe.
Die phylogenetische Position der Testaceen ist anhand der DNA-Sequenzen gesichert. Arcellinida und Euglyphida sind jedoch genetisch weit voneinander entfernte Gruppen. Die ältesten Testaceen-Gehäuse wurden für das Erdzeitalter Cryogenium (850 - 635 Mya) nachgewiesen.
Ralf Meisterfeld formulierte 1979:
"Die Abgrenzung des Artbegriffs bei den sich ungeschlechtlich fortpflanzenden Thekamoben stößt auf grundsätzliche Schwierigkeiten. Die Individuen einer Art
gehören verschiedenen Linien an, deren Genbestand isoliert ist. Ein genetisch bestimmter
Artbegriff ist also bei den Testaceen nicht anwendbar. Im Laufe der Evolution entfernen sich die einzelnen Linien voneinander, was sich zunächst in kleinen
morphologischen Unterschieden bemerkbar macht. Den Zeitpunkt, zu dem sich eine solche Linie so weit von einer anderen entfernt hat, daß man von einer Unterart
oder Art sprechen kann, haben die einzelnen Spezialisten sehr unterschiedlich festgesetzt." [siehe weiter unten 'Lumper und Splitter']
Meine vereinfachte Systematik der aufgeführten Testaceen
nach äußeren Merkmalen. Diese Einteilung kann bei einer ersten Einordnung helfen, hält aber neueren Klassifikationen nach GEN-Sequenzierungen nicht mehr Stand.
Viele angeblich eigenständige Arten scheinen nur Abweichungen von der Grundform zu sein und sollten zusammengelegt, oder zumindest in Komplexen naher Verwandschaft gruppiert werden.
Dieses Problem besteht bei nahezu allen Testaceen-Gattungen.
Wahrscheinlich werden schon bald manche der klassischen Zuordnungen nach äußeren Merkmalen aufgrund neuer Genuntersuchungen nicht mehr gelten.
(siehe auch das rechte Kästchen "Lumper oder Splitter").
„Die beiden Wörter (Splitter = "Spalter", Lumper = "In-einen-Topf-Werfer") sind in der biologischen Systematik zu Fachbegriffen geworden: Ein Lumper fasst Tiere (oder Pflanzen) zu großen Gruppen zusammen, ein Splitter teilt sie in viele kleine Gruppen auf.
Splitter erfinden immer neue Namen und erheben in Extremfällen ... fast jeden neu entdeckten Fund in den Rang einer eigenen Spezies“.
(Richard Dawkins)
[Darwin sprach von hair-splitters]
Mehrere Testaceen-Arten in nährstoffarmen Gewässern (beispielsweise Archerella flavum, Hyalosphenia papilio, Heleopera sphagni, Amphitrema wrigthianum, Cochliopodium und einige Difflugien) ernähren sich mixotrophisch. Das bedeutet, sie können Nahrung durch Fressen anderer Organismen aufnehmen, sich aber auch durch symbiontische Algen per Fotosynthese versorgen lassen.
Bei der Symbiose handelt es sich vornehmlich
um den Austausch von Assimilationsprodukten; die Algen empfangen vom Wirt Kohlendioxid und Aminosäuren, während sie im Gegenzug Zucker aus ihrer Photosynthese abgeben.
Diese Wirte besitzen in der Regel ein sehr durchscheinendes Gehäuse und lassen so ungehindert Licht an ihre Symbionten.
Die Algen bleiben auch im Zusammenleben mit ihrem Wirt selbständige Organismen, die allein lebensfähig sind. Die Wirte können dagegen in der Regel nicht ohne diese Symbionten überleben.
Offensichtlich wird bei der Zellteilung der Algenvorrat auf die beiden entstehenden Individuen aufgeteilt. Interessant wäre zu erfahren, ob die Symbionten sich in ihrem Gastgeber weiter vermehren, und/oder ob weitere von außen aufgenommen werden.
Diese Symbionten sind alles nahe miteinander verwandte, 5-6 µm (meine Messungen) große Algen aus der Gattung Chlorella, wie sie auch in der Nacktamöbe Mayorella, im grünen Pantoffeltier, in der Süßwasserhydra und in Flechten leben = TACS (Testate Amoeba Chlorella Symbionts).
Die einzige bekannte Ausnahme bildet die ca. 30 µm große Euglyphide Paulinella chromatophora. Jede Paulinella beherbergt zwei so genannte Chromatophoren, einstige Cyanobakterien. Diese haben Teile ihres Genoms an den Zellkern des Wirts transferiert und sind somit zu Organellen geworden. Jede Paulinella beherbergt zwei dieser Endosymbionten. Bei der Teilung erhält jede Teilzelle eine der beiden Organellen, die sich umgehend durch Verdoppelung komplettieren. P. chromatophora leben ausschliesslich von den Fotosyntheseprodukten der Symbionten. Diese Symbiose ist erdgeschichtlich jung und fand vor etwa 60 Millionen Jahren statt.